Auch wenn man ein großes Stück Fleisch eine ganze Woche mariniert, zieht der Geschmack der Marinade nur ein paar Millimeter tief in das Fleisch ein. Sogar der Geschmack einer zentimeterdicken Schicht von trockenen Kräutern dringt so gut wie nicht ins Fleisch ein. Damit der Geschmack tief ins Fleisch eindringt, müssen größere Geschütze aufgefahren werden: Spritzen. Mit einer Fleischinjektionsspritze injiziert man das Fleisch an mehreren Stellen und führt somit eine flüssige Mischung von Aromastoffen zu.
Nicht jedes Fleisch ist dafür geeignet. Das Spritzen eines Flat Iron Steaks zum Beispiel ist völlig sinnlos: Was oben eingespritzt wird, läuft unten wieder heraus. Und das gilt für alle dünn geschnittenen Fleischstücke. Bei dickeren Fleischstücken, wie z. B. einer Rinderbrust oder Tafelspitz, funktioniert es jedoch perfekt, vorausgesetzt, man verwendet die richtige Mischung für den Inhalt der Spritze.
Fleisch nur mit Wasser einzuspritzen, bringt nichts für den Geschmack. Das überrascht nicht. Aber auch für die Saftigkeit vom Fleisch nach dem Garen ist es absolut nicht zielführend. 70 % von rohem Fleisches besteht aus Wasser. Wie ein klatschnasser Schwamm ist es vollkommen gesättigt, und es kann noch kaum zusätzliches Wasser in die Fasern aufnehmen. Das Wasser, das hineingespritzt wird, bleibt zwischen den Muskelbündeln. Wenn man rohes Fleisch erhitzt, zieht es sich zusammen, und das Wasser wird herausgequetscht. Ab einer Kerntemperatur von etwa 52 Grad wird dieser Vorgang verstärkt.
In zahlreichen Berichten im Internet habe ich gelesen, dass man diesem Feuchtigkeitsverlust entgegenwirkt, indem man das Fleisch mit Wasser besprüht. Das ist aber Unsinn. Außerdem wird das Wasser, das ins rohe Fleisch eingespritzt wurde, beim Garen einfach herausgepresst. In einer Rinderbrust, die auf 92 Grad Kerntemperatur gegart wurde, wird man keinen Tropfen Wasser mehr finden. Ist das Einspritzen also sinnlos? Nein, auf keinen Fall, aber die Spritze sollte eine wesentliche Zutat enthalten, damit sie ihre Wirkung entfalten kann: Säure. In Form von Apfelsaft, Zitronensaft, Essig, Rotwein, Worcestershire-Sauce oder was auch immer. Es muss etwas Saures dabei sein. Ich erkläre dir, warum.
Man nehme das beste Rinderfilet, das man auftreiben kann, und gart es langsam (low & slow) auf dem Grill bis zu einer Kerntemperatur von 92 Grad. Das Ergebnis: absolut ungenießbar, knochentrocken, so zäh wie eine Schuhsohle. Im Gegensatz dazu wird die Rinderbrust auf dieselbe Kerntemperatur gegart, und du wirst die Saftigkeit und Cremigkeit im Mund erleben. Auch wenn sie nicht eingewickelt wurde, auch wenn sie nicht gespritzt wurde. Ein viel preiswerteres Stück Fleisch, aber dafür ein viel besseres Ergebnis! Warum? In einem Wort erklärt: Gelatine. Die Rinderbrust besteht aus Muskeln, die beim Weiden das volle Gewicht des Rindes tragen mussten. Solche beanspruchte Muskeln enthalten viel Bindegewebe, das ihnen die nötige Festigkeit gibt. Rinderfilet stammt aus dem hinteren Teil des Rindes, also von einem Muskel, der praktisch nicht eingesetzt wurde und kaum Bindegewebe enthält.
Beim langsamen Garen einer Rinderbrust tritt genau das Gleiche ein wie bei der Zubereitung von gutem Schmorfleisch: Das Bindegewebe wird abgebaut und in Gelatine umgewandelt. Diese Gelatine bindet die Säfte im Fleisch und ums Fleisch herum, was dieses zart und saftig werden lässt. Beim Rinderfilet bildet sich praktisch keine Gelatine, die Säfte verschwinden vollständig aus dem Fleisch und es wird knochentrocken. Dieser Prozess der Zersetzung des Bindegewebes und der Umwandlung in Gelatine wird mithilfe von Säure beschleunigt und intensiviert. Das ist der Grund, warum jeder Eintopf eine gewisse Menge an Säure enthält. Bei Sauerbraten ist es Essig, bei Boeuf Bourguignon Rotwein etc. Deshalb muss die Spritzflüssigkeit eine Säure beinhalten. Nur so wird das Endergebnis saftiger. Also nicht, weil man Wasser zugesetzt hat, das die Wasserausscheidung kompensiert, sondern wegen der zugesetzten Säure, die mehr Gelatine produziert.
Was du möchtest, aber es sollte natürlich eine gute Geschmackskombination mit dem zuzubereitenden Fleisch ergeben. Für die Zubereitung von Pulled Pork wird häufig Apfelsaft verwendet. Experimentiere auch mal mit Olivenöl, geschmolzener Butter, Brühe, Worcestershire-Sauce, Sojasauce und anderen Fruchtsäften. Frische Kräuter und fein gemahlene Gewürze schmecken dazu ebenfalls sehr gut. Auch Honig und Sirup passen dazu. Am besten werden diese Zutaten mit etwas Wasser verdünnt und vor dem Einspritzen in einer Bratpfanne erhitzt, um sie dünner zu machen. Die Möglichkeiten sind unendlich. Aber: nicht übertreiben. Fleisch soll nach Fleisch schmecken, nicht nach Apfelsaft.
Um Fleisch zu injizieren, benutzt man eine Fleischinjektionsspritze. Diese verfügen über eine Öffnung an der Seite, sodass die Nadel nicht so leicht verstopft wird. Es gibt dünne Nadeln für ausschließlich flüssige Injektionen und dickere Nadeln für Substanzen mit Kräutern. Manche besitzen mehrere Öffnungen, sodass man das Fleisch mit einem einzigen Einstich in mehrere Tiefen injizieren kann. Entscheide dich für eine Spritze mit einem etwas größeren Behälter, damit dieser nicht immer wieder nachgefüllt werden muss. Mindestens 50 Milliliter, aber lieber mehr. Die Nadel schräg ins Fleisch einstechen und die Lösung durch langsames Zurückziehen der Nadel hineindrücken. Am besten das Einstichloch mehrmals verwenden, um in unterschiedliche Richtungen zu injizieren. So vermeidest du, dass zu viele Löcher in das Fleisch gestochen werden müssen und es dann wie eine Kraterlandschaft wirkt. Ich bin sehr gespannt auf deine Ergebnisse. Gelingt es dir tatsächlich, das Fleisch saftiger zu machen?